LeMuSiCa Rundbriefe

20. LeMuSiCa-Rundbrief (April 2015)
"Das wünsche ich ganz vielen Menschen:
andere Kulturen und Lebensweisen kennenzulernen.
Es gäbe viel weniger Angst voreinander und
man könnte deutlicher sehen,
was uns miteinander verbindet."

Pina Bausch, 1940 - 2009
deutsche Tänzerin, Choreographin
und Ballettdirektorin

Dieses Zitat, das unsere Partnerinnen aus dem Emsland als Einstieg für ihre Website gewählt haben, stelle ich heute an den Anfang des Rundbriefes – weil es leider aktueller denn je ist bzw. es gerade in diesen Wochen so deutlich sichtbar wird, wozu Angst, Unwissenheit und Abwehr gegen das Fremde oder den Fremden führen können.
Im Mittelmeer ertrinken immer mehr Flüchtlinge auf dem Weg in das vermeintlich gelobte Land und Europa lässt sich Zeit mit sinnvollen Maßnahmen, die diesen Katastrophen entgegensteuern könnten. Seit Ende März ist Südafrika in der Region um Durban erneut Schauplatz xenophober Attacken gegen Ausländer, wie das im Jahre 2008 schon einmal der Fall war.
Ich weiß nicht, ob sich die Medien in Europa dafür interessieren , hier zumindest sind die Zeitungen und Fernsehsendungen voll davon und die Bilder sind erschreckend, abschreckend, unmenschlich. Die Xenophobie richtet sich vor allem gegen afrikanische , also vielfach schwarze Ausländer aus den Nachbarstaaten, viele von ihnen sind Mosambikaner. Das Bild eines 35 jährigen Mosambikaners, der auf bestialische Weise erschlagen wurde ging durch die Medien und hat uns alle erschüttert. Die Presse schreibt von der direkten Gewalt gegen „unsere schwarzen Brüder und Schwestern“, von xenophoben Attacken der Armen gegen die Armen in Südafrika, das als wirtschaftsstark gilt und wo dennoch weiterhin viele Menschen in Armut und Elend leben – genau dort, wo sich jetzt der Unmut darüber entlädt, wo Sündenböcke gesucht werden, die einfacher zu treffen sind als diejenigen, die für die Zustände verantwortlich sind. Die Armen in Südafrika, so ein Kommentator, verstehen nicht, warum sie weiterhin arm bleiben, keinen Zugang zu Bildung und dem im Land produzierten Reichtum haben und wirft der eigenen Regierung diesbezüglich Versagen vor. Und wo, so fragen einige, bleibt die afrikanische Union in dieser Krise ?
„ Sie ist nicht präsent, denn sie ist eine Organisation, die nur die Elten schützt, die nur in Aktion tritt, wenn die Elite in der Klemme sitzt, aber nichts oder äußerst wenig tut, wenn die Armen miteinander in Konflikt geraten.“ Viele MosambikanerInnen, die auf der Suche nach Arbeit und besseren Lebensbedingungen nach Südafrika gegangen sind, sind direkt von der Gewalt betroffen und die mosambikanische Regierung hat inzwischen Transportmittel für die Rückkehr ihrer Landsleute zur Verfügung gestellt.
Viele Ausländer leben derzeit in den von der südafrikanischen Regierung bereitgestellten Flüchtlingscamps, doch längst nicht alle wollen in ihre Länder zurück.
 
Sie hoffen, dass sich die Lage wieder entspannt und sehen noch immer in Südafrika bessere ökonomische Grundlagen als in ihren eigenen Ländern.
In Maputo hat die Zivilgesellschaft eine Demonstration organisiert und die Forderung gestellt, dass die afrikanischen Gerichte und der Internationale Gerichtshof davon Kenntnis erhalten und die südafrikanische Regierung zur Verantwortung gezogen werden müsse.
 
Diese Ereignisse bewegen auch LeMuSiCa, doch zunächst mehr in Gesprächen und nicht in Aktionen. Unsere Aktionen drehen sich derzeit vor allem um den sexuellen Missbrauch von Mädchen, immer noch und immer wieder, zuletzt die kollektive Vergewaltigung einer 14 jährigen durch 4 Männer. Während einer Fortbildung des „clubes de rapariga“ in Chigodore, einer sehr ländlichen Gemeinde im Einzugsgebiet Cruzamento de Tete ereignete sich im Morgengrauen die Vergewaltigung und einer der an der Fortbildung teilnehmenden Jugendlichen informierte unsere Moderatorinnen über den Fall. Diese suchten sofort das Haus des Mädchens auf und leiteten die notwendigen polizeilichen und ärztlichen Schritte ein, das heißt vor allem die medizinische Feststellung der Vergewaltigung und die sofortige Einleitung der Postprophylaxe gegen Hiv/Aids. In weiteren Gesprächen mit der Polizei und den „lideres comunitarios“ vor Ort stellte sich heraus, dass diese kollektive Vergewaltigung kein Einzelfall war, sondern die Gruppe junger Männer bereits mehrere Frauen, auch ältere, vergewaltigt hatte doch keine etwas sagt oder tut, da es sich um Söhne der sogenannten „antiges combatentes“ handelt, die auf Grund ihrer ruhmreichen Vergangenheit im Befreiungskampf als unantastbar gelten. Jedoch nicht aus Sicht von LeMuSiCa : Wir schrieben sofort einen Brief an unsere PartnerInnen WlSa und Forum Mulher in Maputo zwecks Veröffentlichung und gleichzeitig an die Staatsanwaltschaft und die Direktion der „antiges combatentes“ in Chimoio, in dem wir den Fall anzeigten und entsprechendes Handeln forderten. Am 24. April, im Zusammenhang mit einer kleinen Demonstration aus Solidarität mit den Näherinnen in Bangladesh, die 2013 beim Einsturz des Gebäudes, in dem sie arbeiteten, ums Leben kamen, haben wir auch auf diesen aktuellen Fall einer Gruppenvergewaltigung aufmerksam gemacht und Gerechtigkeit unabhängig von jeglicher „wichtigen“ Zugehörigkeit gefordert. Nun bereiten wir gerade eine Aktivität in Chigodole vor, gemeinsam mit Vertretern der „antigos combatentes“ , bei der klargestellt werden soll, dass Vergewaltigung eine Straftat ist und es in diesem Zusammenhang keinen Schutz für Täter geben kann und darf. 2 der Straftäter wurden festgenommen und sitzen in Untersuchungshaft, zwei sind noch flüchtig.
 
Verurteilt wurde inzwischen auch der Vergewaltiger des 2. Mädchens, das wir im letzten Rundbrief erwähnt hatten. Die damals 8 jährige wurde wurde von ihrem Onkel über einen langen Zeitraum immer wieder vergewaltigt und in Folge dessen auch mit HIV infiziert, nachdem dieser seine Ehefrau verlassen hatte. Er bekam die Höchststrafe von 16 Jahren Gefängnis und muss außerdem ein Schmerzensgeld an das Opfer zahlen.
 
Glücklicherweise musste das Mädchen vor Gericht nicht mehr aussagen, es blieb ihr also die erneute Konfrontation mit dem Vergewaltiger erspart, da ihre klaren Angaben der Polizei gegenüber ausreichend und schlüssig waren.
Beide Mädchen sind weiter in unserer Obhut, zumal eine der beiden auch keinerlei Verwandte mehr hat - der sie vergewaltigende Onkel war der einzige !
 
Erica, die kleine Tochter der Ende letzten Jahres verstorbenen Mitarbeiterin hat sich inzwischen im Zentrum eingelebt, sie ist eine gute Schülerin, nimmt Ihre Medikamente ohne Probleme und bildet mit den drei Mädchen in ihrem Alter ein Kleeblatt, das noch etwas einfacher zu handhaben ist, als die Gruppe der 4 größeren
 
Mädchen, die nun alle eindeutig pubertär und entsprechend anstrengend sind.
Unsere kleinen Jungs konnten wir nicht im SOS Kinderdorf unterbringen, deshalb haben wir nun im Cruzamento de Tete ein Jungen - Zentrum mit 6 Jungs im Alter von 9 bis 11 Jahren, lediglich der kleine, HIV positive Francisco ist in Chimoio geblieben.
 
Zwei Mädchen, 11 und 14 Jahre alt, die beide weder gesundheitliche Probleme haben noch vergewaltigt wurden – sie waren als Waisenkinder zu uns kommen - leben seit Anfang des Jahres in sogenannten „familias substitutas „ in Pemba. Der Kontakt zu diesen Familien kam über San Egidio, eine italienische NRO , die maßgeblich am Friedensschluss in Rom mitgewirkt hatte, zustande. Sie haben hier im Frauengefängnis in Chimoio den Bau eines Hauses für inhaftierte Schwangere und Mütter mit Kleinstkindern finanziert und wir haben den Bau begleitet und die Gelder verwaltet. Die Repräsentantin von San Egidio in Mosambik hat dabei unsere Mädchen kennen gelernt und sich entschieden, eines der Mädchen zu sich zu nehmen. Ihre Freundin fasste den gleichen Entschluss und so wurde der Prozess über Jugendamt und Gericht in die Wege geleitet und erfolgreich durchgeführt. Beide haben sich gut eingewöhnt und wir sind via Telefon und mail in Kontakt.

Am 7.April begingen wir unser 15-jähriges Jubiläum – am 7. April 2000 sind wir erstmals auf die Straße gegangen und damit öffentlich sichtbar geworden.
Sowohl für uns selbst, als auch für geladene Gäste haben wir Revue passieren lassen, was wir in dieser Zeit alles erreicht und wie wir uns entwickelt haben. Aber auch darüber nachgedacht, was wir noch nicht geschafft haben und möglicherweise in absehbarer Zeit nicht schaffen werden, nämlich Bewusstsein und Verhaltensweisen wirklich rigoros zu ändern und kulturelle Gewohnheiten, die im Zusammenhang mit Aids und sexueller Gewalt einfach schädlich bis tödlich sind, abzulehnen. Selbst im Kreis der eigenen MitarbeiterInnen hören wir - wenn auch eher inoffiziell und hinter vorgehaltener Hand - dass der Curandeiro noch immer als einflussreiche Quelle betrachtet und aufgesucht wird – vielfach zum Nachteil einer dringend notwendigen klinischen Begutachtung und Therapie. Aktuelles Beispiel für solches Verhalten ist einer unserer Wächter, der leider mit tödlicher Konsequenz die Augen vor der Realität verschloss, obwohl einige Kollegen versucht hatten ihn dahingehend zu sensibilisieren, sich im Krankenhaus einer Untersuchung und Diagnostik zu unterziehen.
 
Das einzige Gegenmittel ist und bleibt jedoch, einfach weiter zu machen und nicht den Mut zu verlieren, denn es gibt natürlich auch Fälle, bei denen die Sensibilisierung dazu geführt hat, dass sie heute eine anderes und besseres Leben führen und erkannt haben, dass es sich lohnt, Gewohnheiten in Frage zu stellen und sein Verhalten entsprechend den gegebenen Notwendigkeiten zu ändern. Diese Problematik ist sicher einer universale, aber in Afrika, durch die starke Verwurzelung in Tradition bis hin zum Aberglauben, viel schwieriger zu durchbrechen als in anderen kulturellen Kontexten.
 
Wir bleiben also weiter dran und solange wir mit der finanziellen und moralischen Unterstützung unserer GeldgeberInnen und PartnerInnen rechnen können werden wir auch schrittweise Erfolge erzielen und Grundsteine dafür legen, dass künftige Generationen in Mosambik eine veränderte Einstellung zu Frauen, Genero und HIV/Aids haben werden.
Besonders bedanken wir uns bei all den privaten SpenderInnen , einschließlich der Vereine Frauen helfen Frauen im Emsland und Frauen für Frauen in Lüchow. Dank der Initiative der Frauen im Emsland hat nun auch die Studentin Catja ein eigenes Laptop und kann viele ihrer Arbeiten zu Hause und in Ruhe verfassen.
 
Alle SpenderInnen, die eine Spendenbescheinigung benötigen bitten wir, ihre Anschrift auf dem Überweisungsträger zu vermerken.
 
Judith und LeMuSiCa
 
Im Anhang ein paar Fotos von der Aktion am 24.04.2015
 
Spenden:
Frauen für Frauen e.V. Lüchow“ Stichwort LEMUSICA
Bankverbindung: Sparkasse Uelzen Lüchow-Dannenberg, BLZ: 25850110, KtoNr.: 44043842
IBAN des dt.Kontos: DE 35 2585 0110 0044 0169 70; SWIFT-BIC: NOLADE21UEL