LeMuSiCa Rundbriefe

19. LeMuSiCa-Rundbrief (November 2014)
Im letzten Rundbrief haben wir vom Beginn der jährlichen Arbeitsroutine gesprochen und schon sind wir fast wieder am Ende dieses Jahres angekommen !
Die Pläne wurden in Aktivitäten umgesetzt und natürlich kam manches Ungeplante dazu. So haben wir beispielsweise 3 neue Mädchen im Alter von 8 und 11 Jahren im Zentrum aufgenommen, von denen 2 (die beiden 8 jährigen) Opfer von Vergewaltigung im familiären Umfeld (Onkel/Vetter) geworden sind. Eins der beiden Mädchen ist in Folge dessen HIV-positiv. Sie wurden von uns zunächst zu den notwendigen, ärztlichen Untersuchungen begleitet, um den Tatbestand vor Gericht beweisen zu können. Nach Feststellung des positiven HIV Ergebnisses begann der Prozess, sie in das entsprechende Behandlungsprogramm zu integrieren, zu Gesprächen bei einem Psychologen zu begleiten und ihnen dann die Notwendigkeit der kontinuierlichen Tabletten Einnahme verständlich zu machen. Gleichzeitig wurde unsererseits Anzeige gegen die Täter erstattet und beide Mädchen mussten bei der Polizei zum Tathergang aussagen. Ein schwerer Weg sowohl für die Mädchen, als auch für die Sozialarbeiterinnen, die sie begleitet und unterstützt haben. Und dann wurden sie in unser Zentrum integriert, um weiterhin psychosoziale Betreuung zu bekommen und sie auf den Prozess bei Gericht vorzubereiten. Auf unsere Initiative hin wurden beide Vergewaltiger festgenommen und sollten im Gefängnis auf die Verhandlung warten.
Einer der beiden wurde jedoch kurz darauf gegen eine entsprechende Zahlung seitens der Familie frei gelassen.
Ende Oktober kam es im Fall des einen der beiden Mädchen zur Verhandlung und Verurteilung des Täters zu einer 4-jährigen Haftstrafe ! Immerhin ein Lichtblick auf den dunklen Fluren der Justiz ! Dank unserer Initiative und unseres Engagements, aber vor allem auch dank der klaren und mutigen Aussagen des Mädchens.
 
Das dritte, 11 jährige Mädchen kam durch ein zufälliges Treffen mit einer unserer Mitarbeiterinnen im Krankenhaus zu uns. Nilza befand sich in Begleitung ihrer älteren Schwester, die den Arm gebrochen hatte und war in einem sehr schlechten Allgemeinzustand. Auf Nachfragen von Drucila kam heraus, dass die Mädchen keine Eltern mehr haben sondern alleine miteinander und mit 3 weiteren Geschwistern leben - mehr schlecht als recht. Vor allem jedoch, was Nilza betrifft. Sie ist seit Geburt HIV-positiv und seit einiger Zeit auch in antiretroviraler Behandlung, leider jedoch
kümmert sich zu Hause keiner wirklich darum, dass sie die Medikamente regelmäßig und kontinuierlich nimmt, zu den notwendigen Kontrolluntersuchungen gebracht wird und sich entsprechend ernährt, um die starke Wirkung der Medikamente etwas abzufedern. Um sie nicht weiteren, schwerwiegenden Risiken auszusetzen, haben wir sie bei uns aufgenommen und allmählich erholt sie sich, nimmt etwas an Gewicht zu
und geht auch bereits in Tambara 2 in die Schule.
 
Auch für die Mütter sind solche Fälle eine Herausforderung, denn sie müssen mit darauf achten, dass die Medikamente regelmäßig genommen werden und ein besonderes Augenmerk auf die Gesundheit dieser Kinder haben. Inzwischen sind 6 HIV positive Kinder im Projekt und die medikamentöse Behandlung ist jeweils anders.
Um den Müttern die Organisation etwas zu erleichtern, haben wir nun ein Kästchen für die Aufbewahrung der Tabletten anfertigen lassen, mit kleinen Fächern, die mit den jeweiligen Namen beschriftet sind, sodass es nicht zu Verwechslungen kommen kann.
Ganz allgemein stellen wir gerade fest, dass die Vergewaltigungen von Mädchen eher zu- als abnehmen und dass die Opfer immer jünger werden. Achia befürchtet für die nun kommende Weihnachtszeit eine steigende Tendenz der unerfreulichen Entwicklung, auf die wir uns einstellen müssen.
Der 11. Oktober, Internationaler Tag des Mädchens, wurde in Mosambik wegen der Wahlen auf den 31.10. verschoben und war für LeMuSiCa ein wichtiger Tag, um wieder einmal öffentlich Präsenz zu zeigen und auf uns und unser Anliegen, aber auch auf unsere Beratungs- und Betreuungsangebote hinzuweisen.
Das Schweigen und damit auch den Zyklus der Gewalt zu durchbrechen, dem Mädchen häufig ausgesetzt sind, war Hauptthema des Tages.
Nach einem Marsch durch die Stadt konnten wir in einem Kulturzentrum unsere Ausstellung, die sämtliche Bereiche unserer Tätigkeiten in Fotos darstellt, präsentieren. Der Mädchenclub brachte das gleiche Thema in Form eines Sing-Theaters dem Publikum näher und zum Schluss – unter tosendem Applaus – tanzten sie „Break the Chaim“. Lasst uns die Ketten brechen !
 
Die Arbeit mit den Mädchenclubs hatte in diesem Jahr einen Schwerpunkt auf der Pubertät und Sexualität. Wir versuchten mit Collagen, die von den Mädchen zu diesen Themen gestaltet wurden, mit Filmen, die Klarheit in die Begrifflichkeiten brachten und mit dem Angebot, anonym Fragen in ein verschlossenes Kästchen zu stecken dem Thema näher zu kommen. Vor allem aber auch die Mädchen dahingehend zu sensibilisieren, welchen Stellenwert Sexualität und sexuelle Aktivitäten im jeweiligen Alter haben oder haben sollten und welche Konsequenzen unter Umständen zu tragen sind. Frühe Heirat und Schwangerschaft sind hier eher das Normale , doch häufig beginnt schon sehr bald der Leidensweg der Mädchen, die immer noch eine wenig realistische Vorstellung von Ehe und Familie haben und dennoch dieses Ziel meist schnell und viel zu früh anstreben.
 
Die Sekte Joane Malani beschäftigt uns immer noch und immer wieder. Das heißt, der von uns bereits vor drei Jahren zur Anzeige gebrachte Fall eines 13 jährigen Mädchens,- das dem Sohn eines Pastors als Frau gegeben wurde, weil dieser von ihr geträumt hatte und demnach sich die „spirituelle Weisung“ erfüllen müsse -, wurde noch immer nicht konsequent juristisch in Angriff genommen und weitere, neue Fälle wurden von uns zur Anzeige gebracht. Da die Justiz in der Provinz Manica kaum zu entsprechenden Aktivitäten zu bewegen ist, haben wir uns mit dem Fall an die Frauenorganisation WLSA in Maputo gewendet, die nun unsere Darstellungen auf ihrer Website veröffentlicht haben. Vielleicht bringt das ja früher oder später Bewegung in den Fall.
 
Kurz vor den Wahlen am 15. Oktober wurde auch der Schlusspunkt unter die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der Renamo und der Regierung gesetzt und es ist nun wieder möglich, sich frei und ungefährdet im Land zu bewegen. Allerdings könnte der Verlauf der Wahlen und das von vielen angezweifelte Ergebnis – die Frelimo und ihr Präsidentschaftskandidat Nyusi haben die Wahl gewonnen - zu erneuten Spannungen führen. Die Haupt Oppositionsparteien Renamo und MDM wollen das Ergebnis nicht anerkennen und haben entsprechende Eingaben
eingereicht. Dass diese zu einem Erfolg führen könnten, glaubt hier keiner, denn die entsprechenden Entscheidungsgremien sind fest in Frelimo Hand. Und wie es dann weiter geht weiß zur Stunde noch niemand. Dass jedoch die Wahlen nicht frei und transparent waren, daran zweifelt auch kaum einer. Und somit ist wieder alles offen, der Weg zu Stabilität und Frieden ebenso wie der zu erneuten gewaltsamen Auseinandersetzungen, mit denen Dhlakama, der Chef der Renamo, bereits unterschwellig gedroht hatte. Natürlich hoffen alle, dass es dazu nicht wirklich kommt.
 
Zum Schluss noch eine traurige Nachricht, die uns alle sehr getroffen und bewegt hat und noch immer beschäftigt: Der plötzlich Tod unserer Kollegin Marta aus dem Kindergarten. Sie brach am Vormittag während der Arbeit zusammen, wir brachten sie sofort mit dem Auto ins Krankenhaus, wo sie etwas 2 Stunden später verstarb. Ein schwerer Schlag für die Familie und auch für unsere Kinder im Kindergarten.
Diagnostische Möglichkeiten sind hier äußerst gering, aber alles deutet darauf hin, dass sie an einer Meningitis gestorben ist, die in schweren Fällen innerhalb weniger Stunden zum Tod führt. Sie hatte über extrem starke Kopfschmerzen geklagt und ein Malaria Test war negativ.
Zurück bleiben 3 Kinder der alleinerziehenden Mutter, 2 davon minderjährig und beide sind HIV positiv. Das 9 jährige Mädchen ist sehr labil und wir werden dieses Mädchen wohl bei uns im Zentrum aufnehmen.
 
Unser Zentrum soll ab dem Jahr 2015 nur noch ein Zentrum für Mädchen sein, die entweder Opfer von sexueller/häuslicher Gewalt geworden sind oder Hiv und in antiretroviraler Behandlung. Dafür müssen wir nun alle Jungs in andere Zentren oder Familien integrieren. Für die 3 größeren Jungen haben wir bereits einen Internatsplatz gefunden und was die 4 Kleineren betrifft, stehen wir in Verhandlung mit dem hiesigen SOS Kinderdorf und hoffen natürlich, dass dies alles klappt. Der einzige Junge, der zunächst bleiben wird ist der 4 jährige Francisco, der auch HIV
positiv ist. Damit entspannt sich bei uns etwas die Situation der Mischung von Jungen und Mädchen in der Pubertätsphase und wir sind damit auch näher an unserer eigentlich Zielgruppe, nämlich Mädchen und Frauen.
 
Drei unserer Mädchen studieren inzwischen – und das ist nur möglich, dank der großzügigen Hilfe der Frauen im Emsland, die uns seit Jahren in vielen Bereichen unterstützen ( Kleinkredite für Frauen, Finanzierung einer 2. Mutter im Projekt) und die nun auch den Ausbildungsfond kreiert haben, über den wir neben dem Studium der 3 Mädchen auch Internatskosten für 3 weitere Mädchen bisher abdecken konnten.
Wie immer, verbindet sich mit diesem Dank auch die Bitte, weiterhin für diesen Ausbildungsfond Spenden bereitzustellen und diese Bitte richtet sich natürlich an alle. Denn je mehr Mittel zur Verfügung stehen, desto mehr Mädchen können eine höhere Schulbildung bzw. ein Studium abschließen.
 
Unser Dank geht auch an den Verein Frauen für Frauen im Wendland, die durch ihre Spendenwerbung für LeMuSiCa dazu beitragen, die verschiedenen Lücken zu schließen, die sich im Projekt immer wieder auftun. Hier sind insbesondere nicht vom Etat gedeckte Kosten für die bei uns lebenden Kinder zu nennen, die auch dieses Jahr wieder ein Weihnachtsfest feiern werden, kleine Geschenke bekommen und mit neuer
Kleidung ausgestattet werden müssen.
 
Und nicht zuletzt danken wir allen Einzelspendern, die mit größeren und kleineren Summen dazu beitragen, dass unser Projekt mehr ist als nur eine Unterbringung für Kinder, sondern wir ihnen auch hin und wieder kleine Ausflüge oder sonstige Freuden ermöglichen können, die für alle Kinder dieser Welt einfach auch zum Leben dazu gehören sollten.
Der Bedarf ist also nach wie vor groß und wir bitten deshalb darum, unsere Arbeit weiter finanziell zu unterstützen – sofern das möglich ist.
 
Noch ist das Jahr nicht zu Ende und einige Aktivitäten stehen noch aus, vor allem im Zusammenhang mit den 16 Tage Aktivismus gegen Gewalt gegen Frauen. Zum anderen die notwendigen Jahresabschlüsse, das Weihnachtsfest für die Kinder und die Anmeldungen für das nächste Schuljahr – doch alles findet ohnehin keinen Platz in einem solchen Brief und in den letzten Wochen bleibt auch kaum Zeit und Muße, zum schreiben.
 
Deshalb verabschieden wir uns schon jetzt, bedanken uns ganz herzlich für die Unterstützung und Begleitung, wünschen ein friedvolles Weihnachtsfest und einen gelungenen Übergang ins Jahr 2015 !

Judith und LeMuSiCa
 
 
Spenden:
Frauen für Frauen e.V. Lüchow“ Stichwort LEMUSICA
Bankverbindung: Sparkasse Uelzen Lüchow-Dannenberg, BLZ: 25850110, KtoNr.: 44043842
IBAN des dt.Kontos: DE 35 2585 0110 0044 0169 70; SWIFT-BIC: NOLADE21UEL